Es einfach annehmen

In den letzten drei Tagen kam es im Stall zu drei Geburten. Die grosse Santé, die scheue Eirun und die schöne Macadamia erwarteten Nachwuchs. Gestartet ist Santé. Es ist ihr zweites Kalb, das da so schneeweiss im tiefen Stroh lag. Snowman. Santé ist unsere grösste Kuh, aber zugleich auch eine der Liebenswürdigsten. Gerne zeigte sie uns ihr Kalb und erntete viel Lob dafür.

Die Kälber dürfen immer ein bis mehrere Tage bei ihren Müttern in der Abkalbeboxe bleiben. Dann zügeln diese zurück in den Laufstall. Nur ganz vereinzelt ruft hin und wieder eine Kuh nach ihrem Kalb, aber das ist die Ausnahme. Meist geht es schnell, bis sie ihre Freundinnen wieder finden und das Kalb in unsere Obhut abgeben. Die Kälber zügeln in einen «Babystall», dort lernen sie vom Nuggi zu trinken. Snowman macht das schon gut, auch wenn er sein Köpfchen immer noch etwas zu hoch hält. 

 

Eirun hat kurz nach Santé im Laufstall gekalbt. Nicht, wie es sich eigentlich gehört, in der dafür vorgesehenen Abkalbeboxe. Das ist etwas, was wir nicht so gerne haben. Aber es passt zu Eirun. Sie versteckt sich lieber zwischen den anderen, als dass sie uns ihr Kalb zeigen würde. Am Boden des Stalls lag also Dragon, ihr erstes Kalb. Ein kräftiger kleiner Stier, der weiss, was er will. Mit Föhn und sieben Frottiertüchern bewaffnet, machten sich unsere Praktikatin Flurina und die Schnupperpraktikantin Mathilde an die Arbeit. Das Kalb muss trocken sein und innerhalb der ersten Lebensstunden vier Liter Kolostralmilch bekommen. Eirun hatte einen halben Liter Milch für ihn, mehr war da noch nicht. Aber die grosse Santé, die kurz zuvor geboren hatte, half mit einem Schoppen aus.

 

Und dann noch Macadamia... Auch für sie war es das erste Kalb. Von langen Wehen gezeichnet, gebar Macadamia ein Kuhkalb. Aber das hübsche Mädchen starb, bevor es den ersten Atemzug machen konnte. Sie lag im tiefen Stroh des Stalls und war gegangen, bevor sie wirklich angekommen war. Das sind die traurigsten Momente im Alltag mit Tieren. Wenn man ihnen nicht helfen konnte und sie gehen müssen, bevor sie leben durften. Es scheint ein sinnloser Moment, vor einem toten Kalb zu stehen und zu sehen, wie sich die Mutter davon verabschiedet. Ist er wirklich so sinnlos?

 

Wir entscheiden meist selbst über den Tod unserer Tiere. Auch das fällt uns nicht leicht, aber es gehört zu unserem Alltag. Sie haben keine Lebenserwartung. Sie denken nicht, ich könnte 20 oder 30 Jahre alt werden. Sie leben im Moment und sie leben mit Instinkten. Das Wichtigste ist, ihren Bedürfnissen gerecht zu werden, ihre Gewohnheiten zu respektieren und sie nicht zu überfordern. Der Tod gehört für sie dazu. Sie können damit umgehen. Wohl besser als wir. Was sie nicht können, ist mit Stress umgehen, mit SItuationen indenen wir sie überfordern. Die Natur und der Tod überfordern sie nicht. Es ist der Mensch, der etwas von ihnen erwartet, das sie nicht kennen, nicht verstehen. Aber den Tod verstehen sie. Und das beeindruckt mich tief.

 

So schwer es mir fällt, hinzunehmen, dass das kleine Mädchen nicht leben darf, so sehr bewundere ich Macadamias Fähigkeit, es ganz einfach anzunehmen. Der Tod gehört für sie zum Leben. Es ist ein trauriger Moment. Aber nicht ein sinnloser Moment. Das kleine Mädchen starb, bevor es leben konnte. Für einmal haben wir nicht selbst entschieden. Und das müssen wir annehmen.

 

 

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